Dienstag, 6. Oktober 2009

Kolumbien rechnet

Und zwar eigentlich schon seit Wochen. Denn am Samstag und Mittwoch sind die entscheidenden Spiele der Nationalmannschaft gegen Chile und Paraguay. Und auch wenn die Chancen, sich noch zu qualifizieren, eher theoretisch sind, so wird doch dauerhaft in Radio und Fernsehen genau erklärt, bei welchen Konstellationen und Ergebnissen man sich qualifizieren kann.

Übrigens ist es doch nicht so regnerisch, wie ich befürchtet hatte. Bisher ist der Oktober sogar ziemlich trocken. Ungewöhnlich trocken. Mir soll es recht sein, wenn ich nicht jeden Tag auf dem Weg zur Uni durchweicht werde. Aber komisch ist es trotzdem. Naja, Wetter ist ja bekanntlich Chaos.

In der Uni ist die Situation dafür etwas stürmischer. Schon vergangene Woche war einiges los. Demonstrationen. Ich konnte von meiner Wohnung aus die explodierenden "Papa bombas" hören, die hier beliebten Sprengsätze. Ausserdem soll die Polizei mit Gaseinsatz gegen die demonstrierenden Studierenden vorgangen sein. Interessanterweise darf die Polizei hier nicht auf das Unigelände, die Scharmützel finden also an den Eingängen statt, von wo aus auch das Gas Richtung Plaza Che gesprüht wird. Die Eingänge werden dann auch schnell geschlossen, so dass niemand mehr rein und raus kann. Für diese Woche sind grosse Versammlungen geplant. Ein Streik ist wohl wahrscheinlich, ebenso natürlich weitere Demos und Konflikte. Einerseits wird man sich hier wohl einem Generalstreik kommende Woche anschliessen. Andererseits gibt es durchaus auch interne Gründe. Aktuell geht es um die Unterfinanzierung der Uni sowie die Pensionsansprüche der Unimitarbeiter. Ich werde natürlich von allem berichten, was passiert.

Gestern Nacht sass ich noch bis spät an einer Reseña, das Thema war allerdings mal wieder sehr interessant. Das zu rezensierende und zusammenzufassende Buch handelte von der Praxis der Verhängung des Ausnahmezustands während des "Frente Nacional" (1958-1974). Diese Koalition der beide grossen Parteien (liberale und konservative) hatte sich gebildet, um den populistischen Präsidenten Rojas Pinilla (1952-57) abzulösen, der nach einem friedlichen Militärputsch an die Macht gekommen war und der zunächst allseits begrüsst worden war, dessen Regierung aber zunehmend diktatoriale Züge angenommen hatte, in der Bevölkerung ungemein beliebt, unter anderem wurde er mit Perón verglichen. Die Praxis dieser Koalition, die sich sogar in der Verfassung verankern liess, war aber über weite Strecken weitaus unterdrückender und diktatorialer als die Militärregierung. Zur Unterdrückung sozialer Bewegungen bediente sie sich dieses "Estado de sitio", der, in der Verfassung zu finden, schon unter vorherigen Regierungen angewandt, aber in dieser Zeit perfektioniert, fast alles erlaubte, zum Beispiel Pressezensur oder Versammlungsverbot, und dessen angeblicher Grund die Bekämpfung der "Violencia" (Gewalt) war, die ironischerweise aus den Konflikten zwischen den beiden Parteien entstanden war. Diese Praxis hielt fatalerweise auch nach dem Ende des "Frente Nacional" an. Interessanterweise hat sich aus der Bewegung Rojas Pinillas später unter Führung dessen Tochter eine linke Partei gebildet, ausserdem hat sich eine linke Guerrillaorganisation (M-19) abgespalten. Heutige Nachfolgepartei ist übrigens der Polo Democrático Alternativo, die wichtigste linke Oppositionspartei, die aktuell auch den Bürgermeister Bogotás stellt: Samuel Moreno Rojas, Enkel des Generals Gustavo Rojas Pinilla.

2 Kommentare:

  1. Christiannnnnnnnnnn8. Oktober 2009 um 04:38

    Hallo Nikolai!
    Bei Generalstreik stellt sich mir natuerlich die Frage, worum es geht?


    ciao

    Christoph

    AntwortenLöschen
  2. wenn ich es herausfinde, sage ich bescheid

    AntwortenLöschen