Freitag, 4. September 2009

Kolumbianischer Alltag

Heute mal ein paar Kleinigkeiten:
Die Sprache bereitet mir soweit keine Probleme. Wissenschaftlich Texte lesen geht mittlerweile sehr flüssig. Dagegen ist das Schreiben von Texten (Reseñas, Klausuren) doch etwas komplizierter. Sagen wir es so, mein Stil ist doch noch etwas holprig. Aber das wird schon noch.
Was das Vokabular angeht, ist das Kolumbianische nicht so weit vom Ecuadorianischen und Peruanischen entfernt. Ok, hier gibt es viel weniger Einflüsse aus indigenen Sprachen als beispielsweise in Cuenca. Die grössten Abweichungen gibt es natürlich beim Essens-Wortschatz.
Am gewöhnungsbedürftigsten für mich ist allerdings das Siezen. Männer siezen sich hier gegenseitig, und je beser man befreundet ist, desto wahrscheinlicher siezt man sich. Also man duzt eher unbekannte Leute als seine besten Freunde. Innerhalb der Familien wird natürlich auch gesiezt: die Eltern, die Kinder, die Eheleute gegenseitig. Dagegen siezen sich gleichaltrige Frauen nicht und auch Männer und Frauen gegenseitig duzen sich (es sei den gegenüber älteren Personen). Eine Ausnahme ist Hugo, der von der Küste kommt. Der duzt erstmal alle, auch schon mal die Professoren (in einer Mischung aus Stolz und Trotz gegenüber den Cachacos, den Leuten aus Bogotá).

Eine sehr kolumbianische Besonderheit sind die Minutos. Überall in der Stadt stehen Leute, die Telefongespräche anbieten. Und das günstiger als vom eigenen Handy, es sei denn, man will jemanden mit dem gleichen Anbieter erreichen. Die Preise variieren je nach Lage, am teuersten ist es im Norden der Stadt. In der Uni kostet die Minute zwischen 100 und 200 Pesos (3-7 ct). Hier hat man also normalerweise sein Handy nur, um erreicht werden zu können. Telefonieren tut man von der Strasse aus.

Eine weitere Besonderheit in der Uni sind die Fahrräder. Die Uni ist umzäunt und an jedem Eingang stehen private Sicherheitsleute und wenn man mit einem eigenen Fahrrad auf das Unigelände kommt, muss man das registrieren und bekommt ein Kärtchen, das man vorzeigen muss, wenn man die Uni wieder verlässt. Auf dem Campus gibt es dafür Uni-interne Fahrräder, nicht abgeschlossen, mit denen man immer fahren, nur halt das Gelände nicht verlassen kann. Diese sind zwar eigentlich immer zu klein und oft nicht voll funktionstüchtig, mehr oder weniger platt, Bremsen funktionieren schon mal nicht, trotzdem ist das ein tolles und praktisches System, gerade, da die Wege innerhalb der Uni doch nicht zu unterschätzen sind.

"In Kolumbien hat man keine Privatssphäre", wurde mir gleich am ersten Tag gesagt. Und tatsächlich muss man immer, wenn man öffentliche Gebäude, Bibliotheken, Kaufhäuser oder ähnliches betritt (oder verlässt), den privaten Sicherheitsleuten einen Blick in seine Tasche gewähren. Was genau der Sinn ist, weiss ich nicht, gerade, da der Blick meistens doch sehr oberflächlich ist. Übrigens ist die Polizei- und Militärpräsenz doch beachtlich. So stehen zum Beispiel auf jeder Brücke Polizisten.

Jetzt nochmal zu erfreulicheren Dingen: Früchte. Neben "Standard"früchten wie Papayas, Mangos und Bananos (ja, so heissen die hier) gibt es eine beachtliche Auswahl an Früchten wie Granadilla, Guanabana usw. Dazu die Fruchtsäfte, jugos naturales (in der Uni 1300 Pesos, weniger als 50ct): zum Beispiel Lulo-, Maracuyá- oder sehr oft Mora(Brombeer)-Säfte. Wirklich etwas besonders. Obwohl die Früchte natürlich alle aus den wärmeren Regionen des Landes importiert sind.

Dann weiteres Essen. Rund um die Uni fallen sofort die Stände mit Comidas rápidas ins Auge, also Perro Caliente (Hot Dog, aber ein extrem gewöhnungsbedürftiger mit unter anderem sehr künstlich schmeckenden Ananas-, Erdbeer- und Tomatensaucen) und Pizza, die dann aber besonders kreativ belegt ist. Auf der Pizza Mexicana liegen neben Hackfleisch und Ají Nachochips. Auf der Pizza Paisa sind verschiedenste Salami- und Fleischsorten sowie ein gekochtes Wachtelei zu finden. Besonders beliebt ist eine Pizza mit Hühnchen und Champignons. Wirklich lecker sind dagegen die regulären Mittagessen, die immer aus eine Suppe oder Creme (eigentlich immer sehr gut: Sopa de arroz, sancocho, crema de verduras, etc.) und einem zweiten Gang bestehen (seco): Reis, Linsen, Kichererbsen oder Bohnen, Gemüse, Salat, Fleisch oder Hühnchen, Kochbanane, Kartoffeln (gekocht oder als Pommes). Dazu ein Saft (meistens Zitrone, Brombeere, Maracuyá oder Lulo) oder manchmal Gaseosa. Preise variieren stark nach Qualität und Lage, im Zentrum findet man schonmal ein Menü für 3300 Pesos (knapp über einem Euro), wenn man Fisch isst, bezahlt man auch wohl 7000 (über zwei Euro). Meistens liegt es aber irgendwo dazwischen.

So, jetzt stürz ich mich gleich ins Wochenende. Liebe Grüsse an alle!

4 Kommentare:

  1. Schoen, deine gestrigen Erzaehlungen noch einmal in schriftlicher Form vor sich zu haben....

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  2. mhhm...ich will auch so leckere früchte!
    das klingt super!ichwerd wohl demnächst eher käsefondue oder so essen *g*
    und die Fahrräder...was für eine coole idee!

    onni

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  3. Hallo, hallo!
    Also bitte ich Sie höflichst darum, mich demnächst denn auch zu siezen! Wat mut dat mut! Wie sprechen Sie denn eigentlich mit Hugo? Sprechen Sie Ihn dann mit dem Vor- oder Nachnamen an? Und wie lautet meine Anrede? Herr Papa oder senor Matuschewski? Also, dies sind wesentliche Fragen. Ansonsten habe ich deine Ausführungen sehr interessiert gelesen!
    Liebe Grüße
    Ihr Vater

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  4. Huhu Nikolaiaiaiai!
    Schön, dass alles so toll ist. Das freut doch jeden eifrigen Leser und Verfolger oder so...
    Ich ess hier statt so toller Früchte übrigens ganz viele Heidel- und Preiselbeeren, als Saft, Marmelade oder einfach so. Und Rentier schmeckt...gut. Wirklich richtig lecker, besonders weil es nicht aus dem Supermarkt kam, sondern quasi original aus dem Wald. Ohne Umweg.
    Ganz viele liebe Grüße,
    Luca

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